DIE FLUT DER BILDER von Othmar Seehauser Die Pressefotografie unterliegt dem Wandel der Zeit und den Gesetzen der neuen Medien. Professionelle Arbeit bleibt dabei immer öfters auf der Strecke.
Lesen Sie dazu den Kulturbericht von Othmar Seehauser
Eine Frage stellt sich mir immer wieder: Gibt es überhaupt noch jene Fotografie, wie die vom Vietnamkrieg oder von den damaligen Jugendbewegungen, die durch die europäischen und nordamerikanischen Städte rauschten? Fotos die zu Ikonen wurden, Fotos die provozierten, erklärten, vermittelten. Fotografie gegen politische Repression und gegen die Unterdrückung der damaligen Welt. Es war die Zeit, in der Zeitungen und Magazine ihre höchsten Auflagen erreichten. Veröffentlichungen von ausgedehnten Bildreportagen aus allen Winkeln dieser Welt fanden großes Interesse. Es waren Meister ihrer Zunft am Werke, die unerschrocken, selbstbewusst, oft auch mit einer Priese Frechheit behaftet, ans Werk gingen. Sie flogen von einem Kriegsschauplatz zum anderen.
Doch nicht nur Krisenherde beherrschten die Medien, auch die Schönheiten dieser Erde ließen neue Magazine entstehen und erfolgreich weiterentwickeln. Abenteurer und Forscher suchten professionelle fotografische Begleitungen. Auch Berichterstattungen über Kulturen und Traditionen wurden zu spannenden Bildstrecken erarbeitet und gedruckt. Neugierde und Hunger nach Wissen und die oft ausgeprägte Ästhetik führten zu wachsenden Konsum von Zeitungen und Magazine.
Die Fotografie der Printmedien konnte sich selbst gegen das Fernsehen noch lange Zeit behaupten, zumindest bis zu den Anfängen der digitalen Medien. Das Internet und die digitale Fotografie veränderten Ende der Neunzigerjahre − zuerst zaghaft und zögernd − die Medienlandschaften. Einige Medienvertreter/-innen wollten es damals noch nicht wahrhaben, dass die Printmedien gewaltig unter Druck kommen könnten, ja sogar zum Auslaufmodell degradiert würden. Die digitale Fotografie hielt in der Tagespresse Südtirols ebenfalls Ende der Neunzigerjahre Einzug. Sehr teuer und sehr schlecht war die digitale Technologie jener Jahre.
Erst vor zehn Jahren war es dann soweit, dass die analoge Fotografie von der digitalen zur Gänze abgelöst wurde. Lokal wie international ermöglichte das Internet plötzlich die direkte Übermittlung der Bilder aus (fast) allen Orten dieser Welt.
Fotos des Hockeytors in Asiago um 23 Uhr, wenn es um Sport ging, aber auch Fotos des Autounfalls oder Stadelbrandes in den hintersten Tälern des Landes kamen somit noch vor Redaktionsschluss in die Tageszeitungen. Das Internet und die digitale Fotografie ermöglichten es, selbst aus den entferntesten Amazonasgebieten Fotos in alle Welt zu schicken. Fotografinnen und Fotografen wurden überall vor Ort gesucht, um die gewünschten Bilder an die Bildagenturen zu lieferten, welche sie wiederum über ihre Kanäle weltweit verbreiteten.
Es begann eine Flut von Bildern, die bis heute anhält und sich zu einem Foto-Tsunami entwickelt hat und uns visuell oft zu erdrücken scheint. Wir sind dermaßen von Bildeindrücken aus dem Netz im hundertstel Sekundentakt überversorgt, dass die eigentliche Wahrnehmung des einzelnen Bildes immer unmöglicher wird. Die Fotos, die heute aus den Konfliktzonen an die Presseagenturen gelangen, oder direkt ins Netz gestellt werden, sind immer öfter von einer Grausamkeit, die für die visuelle Aufnahme unerträglich wird.
Fotoreporter/-innen sowie Journalistinnen und Journalisten müssen aus diesen Ländern aus Angst um ihre Unversehrtheit heimkehren und die Berichterstattung wird damit der Propaganda der Kriegstreibenden überlassen.
Aber auch die Regierungen der USA und inzwischen auch wieder Russlands lassen sich nicht von freiem und unabhängigem Pressefachleuten in die Karten schauen. Die Bush-Administrationen haben es anlässlich ihrer Golfkriege verstanden, Fotografinnen und Fotografen wie auch Journalistinnen und Journalisten unter ihre Kontrolle zu bringen. Putins heutige Macht lebt von den unter seiner Kontrolle gehaltenen Medien. Italien mit seiner Berlusconi-Vergangenheit hat vielen Willkürherrschenden gezeigt, dass die Kontrolle über alle Medien der Schlüssel zur Allmacht sein kann. Freie Presse und freie Medien wurden noch nie dermaßen unterdrückt, angefeindet, bedroht und auch immer öfter eliminiert wie heute.
Demgegenüber können wir in Südtirol, sowie in den Nachbarprovinzen im Norden und im Süden, diesbezüglich doch einigermaßen entspannt unsere Mediensituation betrachten. Die digitalen Medien entwickeln sich von Jahr zu Jahr und die Printmedien geraten immer stärker unter Druck. Die professionelle Pressefotografie ist hierzulande aus Kostengründen kaum noch präsent. Lediglich das Wochenmagazin FF gibt der Fotografie noch Bedeutung und Wichtigkeit. All die anderen Printmedien, aber auch die digitalen Medien, nutzen die Fotografie oft nur zur Dekoration ihrer Texte.
Die Qualität der Fotografie in den Tageszeitungen Südtirols ist damit in den letzten Jahren enorm gesunken. Aufgebessert wird das Gesamtbild der Zeitungen und Online-Portale mit professionellen Pressefotos von Bildagenturen, so fällt das schlecht fotografierte lokale Bild nicht mehr ins Gewicht. Von den wenigen Fotografinnen und Fotografen, die für die Presse noch umhereilen, sind alle nebenbei auch zu Zulieferern von Videos degradiert worden. Diese Entwicklung schränkt die Qualität beider, hart erarbeiteter Bilddaten dementsprechend ein.
Sogar das Landespresseamt erwartet heute von den Journalistinnen und Journalisten, dass sie zu ihrem Bericht auch die dazugehörenden Fotos liefern. Die meisten Mitarbeiter/-innen sind damit schlicht überfordert. Nur noch selten werden aus Kostengründen Berufsfotografinnen bzw. Berufsfotografen eingesetzt. |
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